In der Medizin, aber auch allgemein in der Physiotherapie hört man sehr oft den Begriff „Evidence based“. Alles was wir machen sollte Evidence Based sein. Die Medizinische Behandlungsmethode sollte „wissenschaftlich“ fundiert sein. Um ganz ehrlich zu sein, ich kann diese Diskussionen nicht mehr hören. Warum? Dies erkläre ich Dir im Blogbeitrag.
Evidence based vs. Practice based evidence
Der Arzt oder Physiotherapeut sollte beweisen können, dass das was er macht wirksam ist. Dies alles fundiert auf wissenschaftlicher Studien. Man sollte Quasi einen „Beleg“ haben, dass das was man macht auch Sinn macht.
Na, nun bin ich kein Wissenschaftler, aber ich habe mittlerweile doch 30 Jahre Erfahrung mit trainieren von Leuten und ich bin als Physiotherapeut tätig, deshalb wird es mir fast schlecht, wenn ich dies wieder höre. Warum? Ich zeige es Dir an zwei Beispielen auf:
Was spricht gegen Evidence based?
Was heute noch aktuell ist, kann morgen schon alter Käse sein
Wissenschaftliche Studien und dessen Ergebnisse ändern sich so schnell wie Ebbe und Flut. Das was im Moment aktuell ist kann Morgen bereits veraltet sein.
Die Komplexität des Menschen
In Praktisch allen Studien vergisst man offensichtlich, dass man es mit einem „lebenden“ Patienten zu tun hat, die Emotionen haben, auch unterschiedlich motiviert sind. Dabei kann es gut sein, dass ein Patient sich in einem nicht ganz so tollen Lebensabschnitt befindet. Dies kann einen starken Einfluss auf das Empfinden und die Behandlungserfolge unserer Patienten haben (egal ob dies nun wissenschaftlich Untersucht worden ist oder nicht). Du kannst mir glauben, dass man kiloweise Tabletten oder Therapien verschreiben kann, die wahrscheinlich alle wissenschaftlich erprobt wurden, aber der Mensch ist etwas komplexer als vielleicht viele Wissenschaftler denken.
Lese auch: Rehabilitation und Physiotherapie - Das Eisberg Prinzip
Weisst Du welcher Begriff besser passen würde? Der Begriff: „Practice based evidence“. Genauer: Durch den Begriff Practice (durch tun lernt man) lernt man den Beruf und lernt die Patienten zu verstehen. Egal ob dies nun wissenschaftlich fundiert ist oder nicht. Ich gebe Dir dazu am Besten wieder ein Beispiel:
Noch regelmässig wird in der physiotherapeutischen Therapie Eis verwendet. Die Behandlung mittels Eis ist wissenschaftlich nie bewiesen worden. Jetzt aber kommt ein verletzter Sportler und dieser sagt zu mir; „Eis tut mir gut auf meinem verletzten Knie!“ . Tja, was sage ich dann „Sorry wissenschaftlich ist eine positive Wirkung nie bewiesen worden, deshalb bekommst du dies nicht!“ Oder denkst Du „mache ich es trotzdem, es tut Ihm gut“?
Das Dillema
Die Tabletten die der Arzt dem Patienten verschreibt, hilft dies nun wirklich oder denkt der Patient, dass es ihm hilft?, den zgn. Placebo Effekt. Wenn der Patient zum Arzt sagt, „Wow, die Tabletten sind super!“, dann wird der Arzt diese weiter verschreiben, oder nicht?In den beiden Absätzen habe ich bereits erwähnt, dass es dem Patienten hilft oder gut tut. Ist DAS schlussendlich nicht das was zählt?! Ja, ich weiss, es gibt schon eine Unmenge schwachsinnige Therapien und Therapiearten, wo man die Patienten auch davor warnen sollte, aber was nun, wenn er sagt „Es tut mir gut?“
Denken wir nun ein bisschen weiter. Wissenschaftlich weiss man, dass uns mehr Bewegung gut tut und dass, wenn wir uns schlecht ernähren, wir dicker werden. Trotzdem wird unsere Gesellschaft dicker. Anscheinend ist unsere Gesellschaft nicht gross interessiert an der Wissenschaft, oder diese setzen die vielen Studien in Ihrem Alltag nicht um. Warum eigentlich nicht?
Weil die Menschen selber Ihre Meinung machen und selber entscheiden, was Ihnen hilft und gut tut, oder nicht…?
Anscheinend ist man nicht interessiert an den neusten Studien…!
Vorher habe ich bereits denn Begriff „Practise Based Evidence“. Was macht nun wirklich Sinn?
Im Blogbeitrag 10 Eigenschaften für erfolgreiches Coaching habe ich Dir bereits erwähnt, was nach meiner Meinung nach den Unterscheid zwischen Erfolg und Misserfolg ausmacht. Gerne lade ich Dich ein, diesen Artikel zu lesen.
In vielen Behandlungen ist es nicht der Arzt oder der Therapeut, die nur wissenschaftlich basierende Behandelerfolge haben. Es ist zu 70 % des Behandlungserfolges der sympathische Arzt oder der Therapeut, die den Patienten verstehen und wo in der Therapie direkt ein „Klick“ zwischen den beiden entsteht.
Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass wenn Du durch Prof.Dr.Dr.Dr.Dr.ichweissalles behandelt wirst, diese aber äusserst unsympathisch sind, der Behandlungserfolg anders aussieht, als bei einem verständnisvollen und sympathischen Arzt oder Therapeuten.
Ist Wissenschaft Unsinn?
Nein, selbstverständlich nicht! Es braucht die Wissenschaft für die Weiterentwicklung der Medizin, insbesondere bei schlimmeren Krankheiten, wie Krebs, Diabetes, MS, ALS und weitere.
In den 30 Jahren habe ich sicher sehr viele Sachen gemacht, die nicht korrekt „Evidence based“ waren, aber sei doch ehrlich - was solls?!,
Es funktioniert! Und das ist doch, was schlussendlich zählt, nicht wahr?