Bluthochdruck - Medikamenten und Ausdauertraining

Das Ausdauertraining ist „der Klassiker“, wenn es um die Rehabilitation eines Herz/Kreislauf-Patienten geht. Wandern, Velofahren und Schwimmen sind die „Standard“ Behandlungsmethoden, wenn es um das Aufbautraining geht. Der Kommentar „fangen Sie mal ruhig an“ und „wenn Sie sich unwohl fühlen, dann hören Sie auf“ sind Aussagen, die man im Fitness immer wieder hört. Der Kunde hat noch wenig Vertrauen zu seinem Körper, um ihn wieder optimal zu belasten. Hier einige Tipps!

Effekte Betablocker

Viele unserer Patienten nehmen blutdrucksenkende Medikamente, u.a. Betablocker ein. Folgende Effekte können Betablocker erzeugen, gemäss Zentrum für Sportmedizin / Sport Gesundheitspark in Berlin:

  • Senkung des Ruhe- und Belastungs-Blutdrucks
  • Regression der Hypertrophie
  • Verminderung der maximalen Leistungsfähigkeit
  • Keinen Einfluss auf die anaerobe Schwelle
  • Verminderung der Glykogenolyse
  • Absenkung der Herzfrequenz.

Arterieller Hypertonie

Bei Patienten mit arterieller Hypertonie reduzieren Betablocker sowohl den systolischen als auch den diastolischen Blutdruck signifikant auf allen Belastungsstufen. Auch die Herzfrequenz sinkt sowohl in Ruhe, als auch auf allen Belastungsstufen und im Maximum je nach Dosierung zwischen 10 und 30% (Durchschnitt 18%).

Dies bedeutet, dass alle „Gesundheitsformeln“ zur Berechnung des theoretischen Maximalpulses wie u.a. 220-½ Lebensalter und 208-(0.7x Lebensalter), die regelmässig in Fitnessmagazinen und Artikeln publiziert werden, völlig unkorrekt und für Personen mit Herzschwäche und bei Verwendung von blutdrucksenden Medikamenten absolut ungeeignet sind.

Auch auf die Berechnung der theoretischen anaeroben (90% vom Maximalpuls -10%) und aeroben Schwelle (70% vom Maximalpuls -20%) ist kein grosser Verlass.

Borg-Skala

Trainingsempfehlungen nach Intensität Borg Skala

Eine auch viel genutzte Methode ist die Borg-Skala. Diese wurde entwickelt, um herauszufinden, wie die subjektive Belastungsintensität durch den Patienten empfunden wird. Anders gesagt: Wie schätzt diese Person ihr eigenes Training ein? / Schätzt diese Person die Trainingsintensität entsprechend der Herzfrequenz richtig ein oder nicht?

Beispiel Borg Skala

Wenn eine Person eine Belastungsstufe mit einer Anstrengung von 11 einschätzt, d.h. dem Gefühl nach entspricht dies einer leichten Belastung, sollte eine Korrelation mit der Herzfrequenz auf der Pulsuhr von ungefähr 110 bestehen. D.h. hinter der Zahl aus der Borg-Skala sollte eine 0 platziert werden können und dieser Wert sollte dann mit der Herzfrequenz auf der Pulsuhr übereinstimmen. Je mehr diese Zahlen voneinander abweichen, desto schlechter kann sich die Person richtig einschätzen.

Auch hier habe ich sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht und kann feststellen, dass Menschen, die wenig bis keinen Sport treiben, die Belastungsintensität schlecht einschätzen können, insbesondere am Anfang des Reha-Trainings. Im Verlaufe der Zeit aber lernen die Patienten mit der Borg Skala umzugehen und man merkt, dass sie die Intensität besser einschätzen können.

Warum mache ich dann trotzdem diesen Borg-Skala-Test?

Gehen wir noch einmal zurück zum Anfang dieses Blog. Da habe ich bereits erwähnt, dass viele Patienten die Empfehlung von ihrem Arzt erhalten „Fangen Sie mal wieder ruhig an“. Meine Frage ist aber: „Was bedeutet nun ruhig für diesen Patienten?“. Da die subjektiven Einschätzungen anfangs ungenau sind, muss der Patient vorerst lernen sich mit der Borg Skala richtig einschätzen zu können.

Ausserdem kann man eindeutig sagen, dass Menschen mit blutdrucksenkenden Medikamenten immer daneben liegen, da die Herzfrequenz durch die Verwendung dieser Medikamente im Schnitt 18% tiefer liegt.


Stufen Laktat-Test

Nun war ich selbst neugierig, ob ich meinen Kunden trotz der Einnahme von Betablockern und anderer blutdrucksenkender Medikamente, eine gute aussagekräftige Trainingsempfehlung abgeben kann.

Ich habe Folgendes gemacht:

Bei einem 60-jährigen Patienten, der im Juni 2014 zwei neue Stents erhalten hat und Betablocker einnimmt, habe ich auf dem Veloergometer einen Belastungstest durchgeführt. Der Patient hat ein normales Körpergewicht und ist im Alltag wenig bis nicht sportlich aktiv.


Studien haben belegt, dass Betablocker keinen Einfluss auf die anaerobe und aerobe Schwelle haben. Dies stellte mich also vor die Frage, ob man nun bei Patienten mit Betablockern über die Laktatbestimmung betreffend der Belastungsintensität (Herzfrequenz) eine saubere Aussage machen kann. Mittels dieses Tests sollte ich dann in der Lage sein, bessere und genauere Trainingsempfehlungen für meine Patienten abzugeben.

Ersten Belastungstest

Beim o.g. Patienten J.M. habe ich am 18. Juli einen ersten Belastungstest durchgeführt. Dieser Test wurde auf dem Veloergometer durchgeführt und beide Tests (vom 18. Juli 2014 und vom 07.Oktober 2014) habe ich jeweils morgens um 09.00 Uhr nüchtern durchgeführt; dies zur Standartisierung beider Belastungstests.

Borg

Nach der dritten Stufe bei 92 Watt mussten wir den Test abbrechen:

Der Patient gab an, dass er nicht noch eine vierte Stufe durchführen möchte, dass er „müde“ Beine hat und er Schwierigkeiten mit der Atmung hat. Aus diesem Grund haben wir den Test nach 3 Stufen beendet.

Nach einem 3-monatigen Trainingsprogramm haben wir dann den zweiten Test durchgeführt:

Borg Skala

Interpretation und Vergleich der Belastungstests vom 18. Juli 2014 und 07. Oktober 2014:

  • Das Erste was Ihnen sicher auffällt ist, dass der Patient eine Belastungsstufe zusätzlich erfolgreich abschliessen konnte.
  • Bei der Beurteilung gemäss der Borg-Skala zeigt das subjektive Empfinden Werte mit weniger grösseren Sprüngen. Er kann sich also selber besser einschätzen.
  • Weniger hoher und konstanterer Blutdruck
  • Normale Sauerstoff-Sättigungswerte im 2. Test
  • Bei den Laktatwerten zeigte sich eine Belastungsstufe im anaeroben Bereich.

3-monatiges Trainingsprogramm J.M.

Basierend auf den Testauswertungen vom 18. Juli 2014 habe ich ihm das Training mit einem Puls von 125-130 als Herzfrequenz empfohlen. Dabei haben wir das Programm (Trainingsprogramm für Patienten mit wenig Trainingserfahrung) 3x in der Woche im Medical Training Center in Emmenbrücke durchgeführt.

Jede 3. Woche haben wir die Dauer (Länge) des Cardiotrainings leicht steigern können, die Laktatwerte wurden immer wieder überprüft und kontrolliert, ob J.M. weiterhin im aeroben Bereich trainiert.

Bluthochdruck und Ausdauertraining Velo

Auch die Intensität des Krafttrainings haben wir methodisch steigern können. Während der drei Monate war die Intensität des Trainings immer gleich, 40-60% vom 1-WM mit 10-15 Wiederholungen. Wir konnten jedoch das Gewicht immer steigern. Nach dem 2. Monat konnten wir mit dem Freihantel-Trainingsprogramm beginnen (siehe Seite 6).

Neben diesen drei Trainingseinheiten bei uns im Trainingscenter erhielt J.M. zusätzlich unser Walkingprogramm; auch hier wieder mit individuellen Trainings- und Belastungs-empfehlungen.

Fazit

In diesem Skript beschreibe ich nur die Auswertung einer einzelnen Person. Aus diesem Grund kann ich keine „standartisierten“ Aussagen machen; dies braucht jeweils individuelle Abklärungen.

  • Bluthochdruck-Patienten profitieren sehr von regelmässigem Kraft- und Cardiotraining.
  • Anfangs sollte regelmässig der Blutdruck kontrolliert werden und nur innerhalb eines erlaubten Grenzwertes trainiert werden.
  • Beim Ausdauertraining sollten zur Kontrolle regelmässig Laktatmessungen durchgeführt werden, um sicher zu stellen, dass der Patient im optimalen (aeroben) Trainingsbereich trainiert.
  • Laktatwerte sind ein guter Indikator dafür, ob ein Patient innerhalb der aeroben oder anaeroben Zone trainiert.
  • Borg-Skala und diverse Gesundheitsformulare sind keine zuverlässigen Parameter bei Patienten mit blutdrucksenden Medikamenten.
  • Patienten mit Herz-/Kreislauf-Beschwerden können mit klaren Anweisungen und individuellen Empfehlungen gezielt trainieren. „Floskeln“ wie 'fangen sie mal ruhig an' sind out!
  • Regelmässige Belastungstests geben dem Reha-Trainer, Arzt und auch dem Patienten wertvolle Informationen, die besonders für ihn motivierend sind. Testauswertungen geben uns aussagekräftige Daten wie und mit welcher Intensität zu trainieren ist. Diese Test-Auswertungen sollte man richtig interpretieren und in ein individuelles Trainingsprotokoll umsetzen können.

Bemerkung!

Jeder Patient ist anders.

Die Pathologie und die körperlichen Umstände können sehr unterschiedlich sein.

Sind Sie unsicher, wie stark Sie Ihr Herz belasten dürfen oder wie sie vorgehen sollten, dann melden Sie sich beim Spezialisten.


Herzrehabilitation

Pieter Keulen

Autor: Pieter Keulen


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Kategorie: Medizin
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